Wenn ich wollen würde würde ich wollen

Auszug aus dem Buch „Oben Ohne“ herausgegeben im Dezember 2011

Wenn ich wollen würde, würde ich wollen

von Valentina Levant

Seit ich denken kann, interessiert es mich leidenschaftlich, was in der Seele eines verletzten, traumatisierten oder im Konflikt mit sich selbst stehenden Menschen grundlegend geschieht. Ich habe nach Heilungsmöglichkeiten gesucht und mich in den Bereichen Kommunikation, Körpertherapie u. a. weitergebildet. Dies hat viele meiner Fragen beantwortetet und meine intuitiven Fähigkeiten und Kenntnisse professionell untermauert.

Dieser Konflikt betraf auch mich selbst: Drei Wochen nach meinem Studienabschluss (Diplom-Übersetzerin) bekam ich eine vielversprechende Stelle im Export/Verkauf, konnte meine Sprachkenntnisse nutzen, arbeitete mit der Geschäftsführung zusammen und war dennoch unzufrieden.

Denn als Angestellte war das tägliche Dasein im Büro für mich bequem und doch eine Qual. Ich war zwar gut versorgt mit all den Vorteilen, die ein Angestellter genießt, obendrein mit einem guten Gehalt, und doch fremdbestimmt, was mich mit jedem Tag immer mehr ärgerte. Ich fühlte mich privilegiert, weil ich überhaupt einen Job hatte, dabei tat ich doch nur, was von mir erwartet wurde, mich persönlich jedoch wenig interessierte. Eigentlich freute ich mich jeden Tag auf den Feierabend.

Jahrelang nahm ich diese Bedingungen aus Bequemlichkeit in Kauf. Ich erledigte meinen Job gut, machte unbezahlte Überstunden, gab mich dieser Aufgabe hin, lernte noch zu Hause die technischen Zusammenhänge. Ich tat mein Bestes, war jeden Tag extrem müde und doch motiviert. Langsam ebbte meine anfängliche Begeisterung ab. So wartete ich auf eine bessere Zeit, auf Spaß und Erfüllung bei der Arbeit. Eigentlich lief doch alles wie geplant und nach meinen Wünschen. Warum allerdings wartete ich sehnlichst auf den Feierabend? Warum war ich am Sonntag so frustriert darüber, dass am Montag die Arbeitswoche begann? Ich versuchte mich davon zu überzeugen, dass etwas anderes nicht möglich war. Genau diese Gedanken brachten mich zur Verzweiflung und inneren Rebellion. Sollte das alles sein? War das meine Arbeitswelt? Ich verbrachte die meiste Zeit meines Lebens bei der Arbeit in der Erwartung meines Feierabends, um endlich anfangen können zu leben. Dafür hatte ich studiert? Sollte das alles gewesen sein?

Es kostete extrem viel Kraft zu einer Arbeit zu gehen, die mir nicht wirklich gefiel und dies tagein, tagaus, neun Stunden am Tag. Ich wartete darauf, dass es mir mit der Zeit besser gefallen und die tägliche Erschöpfung nachlassen würde. Noch ein wenig und es wird interessanter, dachte ich. Doch es änderte sich nichts. Ich tadelte mich für meine Unlust, zwang mich jeden Tag ins Büro, versuchte es mir selbst mit guten Argumenten zu verkaufen. Doch es half alles nichts.

Irgendwann kam das deutliche Gefühl, dass ich in diesem Angestelltenverhältnis meine Zeit verschwendete. Schon während der Arbeit empfand ich jeden Abend den Drang, endlich zu Hause zu sein und mich meinem Hobby zu widmen. Ich absolvierte die oben genannten Ausbildungen und nahm an weiteren Seminaren teil. Nach und nach fing ich an, meine ersten kostenlosen PSYCH-K Sitzungen zu geben. Es kamen viele Menschen zu mir. Ich war überrascht und unendlich dankbar. Das Entwicklungspotenzial war da, sichtbar und spürbar. Ich erfuhr viel Bestätigung! Dies gab mir viel Kraft und Hoffnung. Meine Arbeit wurde mit jedem Tag unerträglicher, was dazu führte, dass ich meine Unlust auch zeigte. Ich wurde authentischer. In dieser Zeit ging ich zu einem Vortrag von Eva-Maria und Wolfram Zuhorst zum Thema ihres gleichnamigen dritten Buches: «Liebe Dich selbst, auch wenn Du Deinen Job verlierst». Ich gewann das Buch am Ende des Vortrags, was für mich wie ein Signal war, und es ergab sich zudem ein persönliches Gespräch mit den beiden Autoren. Ein Satz von Eva-Maria ist mir für immer geblieben: «Es ist selten, dass dem Chef Deine Arbeit gefällt, wenn Du Deinen Job nicht magst.» Es war wie eine Warnung. Und sie hatte Recht. Mir wurde gekündigt. Endlich. Zwar empfand ich im Moment der Kündigung einen Schock, doch ich musste mir eingestehen, dass ich im selben Moment den Gedanken hatte: «Gott sei Dank, morgen muss ich nicht zur Arbeit!»

Wenn meine Neigungen und Fähigkeiten mich nicht zu einer professionellen Selbstständigkeit verleitet hätten, würde ich genau erforschen, was mir in dem Unternehmen noch annähernd Spaß machte, um entweder genau dies nach Möglichkeit weiter zu entwickeln oder, falls es scheiterte, das Unternehmen zu wechseln. Doch in meinem Fall kam nur die Selbstständigkeit infrage.
Es gab zwar ein paar Highlights, bei denen mein Job mich ein wenig mehr erfüllte, nur erlaubte ich mir nicht, mir vorzustellen, dass ich, wenn ich nur wollte, die seltenen erfüllenden Momente immer haben könnte. So stellte ich fest, dass einige eher offene und persönlichere Verkaufsgespräche mit Menschen aus Frankreich, Russland und den GUS-Staaten mir am meisten Spaß bereiteten, bei denen es um gegenseitiges interkulturelles Verständnis und manchmal sogar um Schlichtung und Überzeugungsarbeit ging. Ich fühlte mich wie ein unabdingbarer Vermittler und dabei freier und selbstbestimmt. Ebenso bei der Aktualisierung der Website, die ich ab und zu im Unternehmen vornahm. Ich merkte, wie bei diesem kreativen Part die Zeit schneller verging als sonst.

Und heute habe ich meine eigene Website!

Heute bin ich meinem Traum und meiner Berufung wesentlich näher gekommen und baue beides immer weiter aus. Ich bin Fremdsprachen-Coach für Russisch und Französisch und Coach für Persönlichkeitsentwicklung. Weitere Standbeine wie Heilpraktikerin für Psychotherapie und Training für angehende Heilpraktiker für Psychotherapie sind im Aufbau. Eine Website habe ich längst entworfen. Weitere zwei Websites für diese Standbeine werden folgen. Ich habe zurzeit alles, was ich mir gewünscht habe: die Möglichkeit der vollen Umsetzung meiner Kreativität, mein ersehntes Home-Office (ausgerichtet nach Feng Shui statt wie früher mit dem Rücken zur Tür und unangenehmem, krankmachendem Zug im Nacken) Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, intensive und ständige Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit statt Stagnation durch Desinteresse, Begeisterung statt Abwarten, bis mein Pensum an Stunden pro Tag verbraucht ist, Herausforderung rund um die Uhr statt Unterforderung. Und, last but not least: eine absolute Win-win-Situation!

Heute gleicht kein einziger Tag dem anderen, und das ist für mich ein großes Geschenk! Mal bin ich unterwegs in Hotels und gebe eine ganze Woche lang Französisch- oder Russisch-Trainings für deutsche Führungskräfte und Angestellte. Meine Klienten müssen manchmal sehr schnell die Sprachkenntnisse erlangen, weil sie z.B. kürzlich in im Ausland gegründete Tochterunternehmen ihrer Firmen versetzt wurden. Meine Aufgabe besteht darin, diese Klienten zu befähigen, innerhalb einer Woche in der Fremdsprache sprechen zu können. Mal empfange ich meine Klienten für ein paar Stunden in meinen Lernräumen, in meinem Home-Office, weit entfernt von gewöhnlichen sterilen Unterrichtsräumen, wie man sie von Sprachschulen kennt. Es ist stets lebendig, humorvoll und auch fordernd. Am Ende fühle ich mich immer wieder durch den Erfolg belohnt.

Ich entwerfe die Konzepte für meine Klienten, improvisiere und passe mein Coaching ganz und gar ihren Bedürfnisse an. Ich genieße es, dass meine Menschenkenntnis, meine Lebenserfahrungen, meine Intuition, meine interkulturellen Kenntnisse und schließlich meine professionellen Ausbildungen endlich voll und ganz im Einsatz sind, und zwar jeden Tag! Diese absolute Ausschöpfung meiner Fähigkeiten, diese Hingabe an ein Ziel und dessen leidenschaftliche Umsetzung ist für mich Selbstverwirklichung und Wachstum zugleich. In den letzten eineinhalb Jahren habe ich so viel gelernt, über mich selbst erfahren und so viel Selbstvertrauen gewonnen, wie es mir meine Jahre im Angestelltenverhältnis bei Weitem nicht geben konnten.

Ideen auf Ideen kommen mir in den Sinn, sodass ich nur auszuwählen brauche, wo ich anfange. So kam ich unter anderem auf die Idee, ein Coaching für Assistentinnen der Geschäftsführung anzubieten. Diese Rolle und ihre Besonderheiten kenne ich ganz gut. Nur habe ich jetzt eine perfekte Distanz dazu entwickelt und kann Unterstützung bieten bei der Kommunikation, Durchsetzung eigener Ziele dem Chef gegenüber, dem Umgang mit Überstunden, der Ausdauer, Gehaltsverhandlungen, dem Zeitmanagement und nicht zuletzt bei der Selbstachtung und dem Respekt vor eigenen Grenzen.

Weitere Ideen knüpfen ebenso nah an meine früheren beruflichen Erfahrungen an. Da ich in zwei Unternehmen erfolgreich im Verkauf tätig war, kann ich sowohl Verkaufstrainings als auch Trainings für bessere Überzeugungsstrategien anbieten. Alles im Sinne von Authentizität, Ehrlichkeit und einer top Beratung als bester Überzeugungsstrategie überhaupt. So geht es mir weniger ums Verkaufen als um eine aufrichtige Hilfestellung beim Kaufen.
Am meisten Erfüllung und Herausforderung beschert mir dennoch die Begleitung der Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstwerdung meiner Klienten. Es erfordert den größten persönlichen Einsatz, geht oft in die Tiefe, lässt mich besonders präsent sein und stellt für mich den eigentlichen Sinn des Lebens und die Lebensaufgabe jedes Einzelnen dar.

Ständige Weiterbildung bereichert mich, und es bereitet mir richtig viel Freude, neue Möglichkeiten für das Arbeiten mit Menschen ausfindig zu machen. Und es gibt noch so viel mehr zu entdecken!Der Sprung ins Neue, der Mut zum Wagnis haben sich absolut gelohnt. Es war und ist allerdings mit Risiko verbunden. Zwar habe ich einen sorgfältigen Businessplan mit Angaben von Zahlen, Zielgruppen und Wettbewerbsanalyse sowie meine Vorhaben für Werbung und Marketing gestaltet, doch sieht die Realität heute nicht wirklich so aus, wie einmal auf Papier entworfen. Es kam so viel dazu, und vieles änderte sich seitdem, denn ich bleibe immer offen für neue Richtungen und Ideen.
Kundenakquise und Wettbewerb stellen eine weitere spannende Herausforderung dar und sind mit vielen bereichernden Bekanntschaften verbunden. Meine Konkurrenten sind heute meine besten Lehrer und auch Freunde. Ich bin stets auf dem Laufenden über die zu meinem Thema passenden Events, Veranstaltungen oder Messen, die gerade in Frankfurt stattfinden und wo sich meine Kunden ebenso befinden. So lerne ich nach und nach meine Klienten und interessante Unternehmen kennen, treffe Kollegen und tausche Wissen und Erfahrungen mit ihnen aus, bekomme notwendige Unterstützung, Beratung oder Supervision. Ich war noch nie so gut informiert, von so vielen interessanten, kreativen Menschen, Künstlern, Selbstständigen und Ideen umgeben wie seit Beginn meiner beruflichen Neuorientierung. Und es wird immer mehr!

Jeder Tag bietet eine Überraschung, neue Ideen, neue Möglichkeiten der Umsetzung meiner Vorhaben, spannende, erfüllende Begegnungen und so viel Potenzial für die eigene Entwicklung und Selbstentdeckung! Ich bin für dieses neue Leben sehr dankbar. Ich weiß um die damit verbundenen Herausforderungen und um meine Aufgaben, um manche Kämpfe und Hindernisse, aber auch um lang ersehnte Begeisterung und Leidenschaft, um Kraft und Energie, die ich daraus schöpfe. Und ich habe das Gefühl, heute mehr denn je zu leben und das Leben in all seinen Facetten zu genießen, ganz selbst und zwar ständig!

Valentina Levant, Interkultureller Karriere-Coach in Russisch, Französisch, Englisch und Deutsch