Viele von uns sind bereits abhängig von Handys und dem Nachschauen im Mailpostfach, wo doch gerade jetzt eine wichtige Aufgabe konzentriert erledigt werden muss. Abhängig sind wir auch von irgendwelchen unnötigen Gedanken, die ständig im Kopf kreisen und uns ablenken.

Wir alle haben unsere Stärken und Talente, aber zu oft kommen diese wegen dieser internen Störungen nicht zur Geltung. So kannst Du vielleicht wunderbar singen, wenn Du allein bist, aber wenn Dich jemand spontan darum bittet zu singen, bringst Du es wegen der Nervosität nicht so gut zustande wie alleine.

Nur wenige wissen, was bei diesen internen Störungen unterschwellig im Gehirn passiert, wieviel es mit unserer Produktivität zu tun hat und was Du alles selbst bewirken kannst.

Der Vortrag einer Neurowissenschaftlerin

Als ich diese Woche den Vortrag der Neurowissenschaftlerin Karolien Notebaert besuchte, ahnte ich nicht, dass ich so überrascht sein werde.
Eigentlich halte ich mir jeden Mittwochabend frei für einen Besuch in einem buddhistischen Tempel, um dort eine Jahrtausende alte Achtsamkeitsmeditation Vipassana zu praktizieren. Es ist für mich ein wertvoller Abend, der meiner geistigen Kraft und Gesundheit viel gibt.
Aber an diesem Abend wollte ich irgendwie unbedingt zu diesem Vortrag und habe meine Planung daher umgestellt. Das hat sich sehr gelohnt, weil ich in diesem Vortrag eine klare wissenschaftliche Erklärung dafür bekommen habe, was ich seit Jahren praktiziere.

Zunächst sprach die Wissenschaftlerin von den Erkenntnissen der Forschung über die Produktivität des Gehirns und was gute Leistung eigentlich von uns braucht.

Daraus ergab sich folgende Formel:

Leistung = Potential – Störungen

Es ist die Fähigkeit des Gehirns mit internen Störungen umzugehen und den Energieverlust auszugleichen. Selbstregulation ist die wichtigste Metakompetenz, um gute Leistung zu bringen und dabei nervlich stabil zu bleiben.

Wir alle haben täglich mit Störungen zu tun. Das sind ablenkende Gedanken und daraus resultierende unangenehme oder angenehme Gefühle und (fast unkontrollierte) Impulse oft aufs Handy oder nach den Mails zu schauen.

Aber was passiert im Gehirn, was dieses übertriebene Schauen ins Postfach oder aufs Handy begünstigt und mit der Zeit verstärkt?

Es ist die Ausschüttung von dem Hormon Dopamin im neuronalen Belohnungssystem des Gehirns. Jedes Mal, wenn wir eine Nachricht bekommen, wird dieses Hormon ausgeschüttet. Und wir wollen immer mehr davon. Ein sehr einfacher Mechanismus nach dem auch die Pawlowschen Hunde konditioniert wurden oder die dressierten Tiere im Zirkus zu der nächsten dämlichen Pirouette gezwungen werden.

Es kann ein so starkes Ausmaß annehmen, dass manche sogar nachts mehrmals aufwachen um aufs Handy zu schauen. Die Abwärtsspirale verstärkt sich mit der Zeit selbst. Diese Abhängigkeit kann aus einem produktiven Performer, einen sehr ablenkbaren und psychisch überforderten Menschen machen.

Bei den Jugendlichen von heute, so die Gehirnforscher, wurde die Unfähigkeit festgestellt, sich für mehr als 20 Min. zu konzentrieren. Es wird vermutet, dass diese Zeitspanne mit der Zeit sich weiter verkleinern wird.

Selbstregulation lernen

Selbstregulation ist nicht nur der gute Umgang mit Ablenkungen, sondern auch die mentale Fähigkeit mit Enttäuschungen oder Niederlagen umzugehen, Dinge schneller zu verarbeiten und loszulassen.

Gewusst wie, kann diese Kompetenz entwickelt und ausgebaut werden.

Aber zunächst zu dem, was im Gehirn passiert, wenn wir uns von Handy oder dem eigenen Ärger ablenken lassen.

Es gibt zwei Regionen im Gehirn die für die Selbstregulation eine extrem wichtige Rolle spielen. Zu einem ist es die Amygdala. Diese ist zuständig für Emotionen aber auch für Stress und die internen Störungen. Um diese Region zu regulieren brauchen wir den Präfrontalkortex (ganz vorne im Gehirn). Diese Region ist verantwortlich für die Selbstregulation und auch für alle unseren exekutiven kognitiven Funktionen wie Planen, Organisieren, Informationen verarbeiten und Probleme zu lösen.

Je mehr die Amygdala aktiviert ist, desto mehr Energie muss der Präfrontalkortex aufbrauchen um diese zu regulieren.

Wir alle haben morgens einen mehr oder weniger vollen Akku (je nachdem wie lang und wie tief wir geschlafen haben). Dieser Akku ist unser Präfontalkortex und seine Kapazität ist limitiert.

Jedes Mal, wenn Du unnötig auf Dein Handy schaust oder Dich schon morgens über den Straßenverkehr aufregst, verbrauchst Du sehr viel Energie. Wenn Du negative Gedanken über den vergangenen Tag mit in den nächsten Tag nimmst und diese mit Deiner Aufmerksamkeit fütterst, geht Dein Akku noch schneller leer.

Am Abend bist Du sichtlich ausgelaugt, regst Dich schneller gegen Deine Kinder oder Partner auf oder bekommst gar einen Wutanfall, wenn etwas wieder schief läuft.

Alles normal, wenn Du Deine limitierte Kapazität an Selbstregulation bereits verbraucht hast!

Jeder von uns hat so genannte rote Knöpfe. Das kann irgendein bestimmtes Wort sein, das sogleich eine negative Emotion in Dir hervorruft. In diesem Moment ist Deine Amygdala sehr aktiv und Dein Präfrontalkortex muss es ausgleichen. Die Anzahl und die Intensität dieser „roten Knöpfe“ hängt von vielen Faktoren ab u.a. von Deinen Erlebnissen seit Deiner Geburt sowie Deiner Arbeit an Dir selbst.

Gute Nachricht: Forschungen zeigen, dass wir in der Lage sind, die Energie die der Präfrontalkortex durch die Regulation aufbraucht, zu bewahren und die Aktivität der Amygdala zu reduzieren.

Wenn Du Deine Selbstregulation erweiterst und trainierst, bist Du in der Lage auch nach einem sehr anstrengenden Tag authentisch ruhig und für andere da zu sein.

Gute Selbstregulation schenkt Dir nicht nur mehr Potentialentwicklung durch weniger interne Störungen, sondern auch mehr

  • Entscheidungsfreiheit über Deine Gefühle
  • Kreativität
  • Agilität
  • Leistung und
  • Resilienz

Wie entwickelst Du hohe Selbstregulation?

Stelle Dir zunächst die Frage, ob Du Deine Umgebung oder Deine Aufgabe ändern kannst. Bekanntlich bringen wir beste Leistung, wenn wir lieben, was wir tun und das Umfeld stimmt. Das wäre der einfachste Weg zur Selbstregulation durch externe Veränderung.

Aber genau das ist für viele gerade nicht möglich.

Dann bleibt noch eine Art von Selbstregulationsstrategie, die sogenannte non-kognitive Selbstregulation oder Achtsamkeit.

Was verursacht eigentlich Deinen Stress? Das sind Gedanken. Du bist vielleicht heute schon sehr gestresst, obwohl das wichtige Meeting erst am Montag stattfindet. Unsere Gedanken werden von einem bestimmten Netzwerk in unserem Gehirn verursacht. Dieses nennt man Default Mode Network. Achtsamkeit benutzt dagegen ein anderes Netzwerk in unserem Gehirn. Wenn ich dieses einschalte – und das kann jeder von uns – schalte ich den Default Mode Network aus!

Biologisch können Deine Gedanken nicht aktiv sein, wenn Du dieses Achtsamkeits-Netzwerk aktiv einschaltest!

Genau in diesen Momenten entsteht eine innere Entspannung, Energiezufluss und gute Distanz zu den Geschehnissen.

Achtsamkeit und Konzentration

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass solch regelmäßiger Wechsel zwischen den beiden Netzwerken des Gehirns nach einiger Zeit die Verkleinerung der Amygdala bewirkt und sogar ihre Aktivität verringert. Die Stressquelle in Deinem Gehirn wird dank Achtsamkeit in Schach gehalten.

Es ist zu beachten, dass nicht jede Meditation, die auf dem Markt angeboten wird mit Achtsamkeit zu tun hat. Sehr oft sind es Meditationen, bei denen es mehr um Konzentration als Achtsamkeit geht. Bei Konzentration erreichst du zwar den Zustand der momentanen Ruhe, wenn aber alltäglichen Probleme auftreten, reagierst genauso wie vorher. Nur mit richtig ausgeübter Achtsamkeit erreichst Du eine nachhaltige positive Veränderung im Gehirn und somit eine andere Reaktion.

Dann gibt es noch viele Arten von begleiteten (auch christlichen) Meditationen, die sich z.B. um einen bestimmten Gedanken, Metapher oder Losung drehen um Reflektion darüber anzuregen.

Das sind nichts anderes als „Spaziergänge“ im Default Mode Network und das Umschalten auf das heilsame Achtsamkeits-Netzwerk findet nicht statt.

Im Thravada-Buddhismus gibt es viele Jahrtausend währende Achtsamkeitsmeditationen. Eine davon namens Vipassana praktiziere ich seit Jahren und kann sie sehr empfehlen.

Fazit

Die wissenschaftliche Forschung hat bewiesen, dass die Praxis der Achtsamkeit ein mächtiges Werkzeug ist um der Komplexität des Alltags und der eigenen Gedankenwelt zu begegnen.
Und nicht nur das: Regelmäßig praktizierte Achtsamkeit bewirkt entscheidende Veränderungen in Deinem Gehirn, die folglich einen positiven Effekt auf Deine Leistung, Deine Stressresistenz, Deine soziale Beziehungen sowie körperliche und geistige Gesundheit haben.

Unabhängig von den wissenschaftlichen Erkenntnissen, stelle ich seit Jahren fest, dass ich dank der regelmäßigen Achtsamkeitsmeditation weniger Schlaf brauche, mehr Energie habe und sehr konzentriert bin. Meine Leistung ist präziser und der Kopf sehr klar. Unangenhemes verarbeite ich viel schneller und kann gut loslassen. Last but not least, gelingt mir das konstante Spüren des tiefen Mitgefühls und der bedingungslosen Wertschätzung allen Menschen gegenüber.