oder die Beständigkeit der Unbeständigkeit und der Umgang damit
Dieser Artikel soll Dir keine Lösungsansätze, sondern mehr Bewusstsein über das Leid der heutigen Zeit geben. Denn je bewusster bestimmte Phänomene sind, desto schneller willst Du aufhören, so zu leben wie bisher.
Im Laufe der letzten Jahre als Chefin meines Unternehmens, habe ich immer wieder feststellen müssen, dass die Wochen und Monate, die nicht nach einem durchdachten Plan entstanden waren, besser waren als die sorgfältig durchgeplanten.
Irgendwie war ich nie wirklich erfolgreich mit irgendwelcher (Jahres)Planung oder Zielsetzung. Denn am Ende lief alles doch anders und – wenn ich mich genau darauf eingelassen habe – zum Glück oft besser als ich mir je erdenken hätte können!
Beherrschbarkeit loslassen
Je weniger Anspruch ich auf die Beherrschbarkeit meines Unternehmens oder meiner Umweltbeziehungen erhob, desto besser kam die Kreativität ins Rollen und die Lösungsfähigkeit war ungebremst.
So entstanden Ideen, Lösungen und Projekte aus dem Moment, aus der Ahnungslosigkeit heraus und weil irgendein Plan oder vorgenommenes Ziel nicht mehr ablenkte oder im Wege stand.
Dabei war ich doch früher ein Kontroll-Freak und konnte mit Unsicherheit bzw. Ungeplantem nicht gut umgehen. Seit ich weniger in Planbarkeit und Kontrolle investiere und stattdessen viel mehr der Entwicklung der Fähigkeit widme, mich an Veränderungen flexibel anzupassen sowie mit Unsicherheit und Komplexität umzugehen, wirkt die Unwissenheit weniger verunsichernd oder bedrohlich auf mich.
Und, erstaunlicherweise, das ist es, was mich am Ende ganz gut auf meinem Gebiet sein lässt.
Anstatt zu versuchen, künftige Entwicklungen vorauszusehen und schon vorzubauen, entsprechende Antworten darauf im Vorfeld vorzulegen, habe ich stattdessen an der Erhöhung meiner variablen Aktions- und Reaktionsfähigkeit gearbeitet.
Achtsamkeit statt Kontrollierbarkeit
Die besten Lösungen und Antworten entstanden nicht aus der voran gegangenen Zielsetzung, dem Nachdenken und Planen, sondern aus dem Moment heraus. Aus der Ahnungslosigkeit und Improvisation heraus. Und ja, es verlangte jedes Mal Mut von mir.
Heute, wenn ich etwas mit meinem Team plane oder mir konkrete Ziele setze (und das tue ich weiterhin gern und mit Spaß), dann nehme ich das bloß nicht zu ernst, sondern als ein Spiel bzw. als ein Training wahr.
Dabei ist besonders zu beachten, dass wir nicht der Illusion unterliegen, irgendetwas beherrschen oder kontrollieren zu können. Wir sind bereit für Überraschungen und „ungeplante“ Ziele, für Kreatives und Spontanes, etwas, was unserer durchdachten Planung nie im Leben einfallen würde.
Seit an der Stelle von Kontrollierbarkeit Achtsamkeit trat, bin ich entspannter und verkrafte mehr.
Das hält mich und mein Unternehmen lebendiger denn je.
Aufblühende Kreativität
Denn Planung und ständige Blicke in die Zukunft lenken ab und können oft verhindern, dass wir im Hier und Jetzt, da wo das Leben stattfindet, sind.
Wie Gerda Gratzer, Theaterregisseurin passend sagte: „Kreativität blüht auf, wenn die Spieler bereit sind den Raum der Sicherheit zu verlassen und in den Raum der Möglichkeiten zu wechseln.“
Für die Gestaltung von meinem Unternehmen und meinem Marketing stütze ich mich oft auf das, was ich aus der buddhistischen Meditation Vipassana gelernt habe. Nämlich von Moment zu Moment achtsam, im Hier und Jetzt zu sein. Darin liegen die ganze Kraft, die ganze Weisheit und die Erdung – die treuen Begleiter des langfristigen Erfolgs.
Meine verblüffende Erfahrung damit zeigt mir immer aufs Neue, dass nur so tiefe Verbundenheit mit meiner Intuition und Lebendigkeit entstehen kann. Von dort aus kommt nicht nur bessere Effektivität und Konzentration, sondern auch die besten Antworten auf die komplexen Fragen, die besten Lösungen und erhöhte Kompetenz auf Ungeplantes gelassen und flexibel zu reagieren.
Improvisationstheater ist für mich eine wichtige Übungs- und Inspirationsquelle, um anders zu führen und dem Moment zu vertrauen. Ich finde, dass diese Art Theater wie ein kleiner Workshop für das Leben ist. Das Leben ist dabei der große Workshop.
Dort kannst Du inspirierende Ideen für kreative Arbeit schöpfen. Um es mit den Worten von Gratzer zu sagen: „Es ist eine andere Art Regie zu führen, in der der improvisierende Moment, eine zieldienliche Form des Nichtwissens und des Scheiterns, als wertvolle Quelle bei der Entwicklung eines Werkes zum Vorschein kommt.“
Der Meisterregisseur Peter Brook beschreibt Improvisation im Theater als schwierige und präzisionsreiche Technik, die „eine spezielle Schulung und darüber hinaus sehr viel Großzügigkeit und Humor erfordert.“
Mit der Zeit werden die Fähigkeiten geläufig und es entsteht eine Haltung, die mehr Leichtigkeit und Wachheit erleben lässt.
Genau diese Haltung kann Unternehmen und Führungskräften ungeheuer dienlich sein.
Im Grunde wissen erfahrene Manager ja eigentlich schon immer darum.
Nur warum setzen sie auf Kontrollierbarkeit anstatt Achtsamkeit zu gewinnen?
Warum werden allein gute Pläne und Ziele als beste Strategie für den Erfolg eines Unternehmens gepriesen? Warum vertrauen Manager immer weniger ihrem Herzen und lassen sich viel mehr von außen und vom Kopf leiten?
Meine Beobachtung ist, dass die Angst und das Anhaften an die Illusion der Sicherheit und Stabilität, der Nährboden für irgendeinen aufwendigen Plan und Zielsetzung sind. Da wird vergessen zu leben und die Weisheit des Moments zu nutzen. Zu vertrauen, dass alles zu seiner Zeit ohnehin kommt.
Und dann ist da noch viel Raum nach oben für die Entwicklung der so genannten VUCA-Kompetenz (dazu mehr im nächsten Artikel).
Viele meiner Kunden, zu denen Manager und Führungskräfte gehören, investieren Unmengen an Zeit in präzise Zielsetzung, Planungen und Berücksichtigung der Statistiken für die Zukunft. Sie lassen ungern Momente der Ahnungslosigkeit und des Nichtwissens zu. Der Umgang mit Unsicherheit löst Stress aus und lässt den (ohnehin illusorischen) inneren Halt verlieren.
Anstatt die eigene Kompetenz für Veränderung und Flexibilität zu erhöhen, um mit Unsicherheit und Komplexität im Unternehmen besser umzugehen, wird viel Zeit in die noch bessere Planbarkeit investiert.
Liebe Valentina,
dies kann ich nur bestätigen! Gerade die flexible Einstellung lässt Raum für Möglichkeiten und kann sogar eine langweilige Aufgabe zu einem spannenden Projekt machen. Das Einlassen auf neue Wege, die ich im Vorfeld vlt. nicht im Auge hatte, nimmt mir den Druck von den Schultern, befreit vom Tunnelblick und weckt meine Neugier.
Vielen Dank für diesen inspirierenden Artikel!
Herzlichst,
Irina
Danke Dir für diese Offenheit neuen Wegen gegenüber. Davon profitierst nicht nur Du, sondern alle die mit Dir zu tun haben!
Herzliche Grüße
Valentina